Psychosomatische Nachsorge in der Pädiatrischen Onkologie m o c . e b o d a . k c o t s – a j n o S © Seit vielen Jahren betreut Diplom-Psychologin Angela Duhr Familien mit einem krebskranken Kind. Als Leiterin des Psychologischen Dienstes des Eltern-Kind- Zentrums Prof. Hess in Bremen erlebt sie immer wieder, dass psychische Pro- bleme das Kind (und seine Angehörigen) nach einer überstandenen Erkrankung aus dem Gleichgewicht bringen und es dann Unterstützung braucht. Im Interview mit bärenstark-Redakteurin Sabine Ziegler berichtet Angela Duhr von ihrer Arbeit. Hat das Kind die Erkrankung überwunden, erwartet das soziale Umfeld von der Familie, dass sie so schnell als möglich wieder in einen normalen Alltag zurückfindet – jetzt sei ja schließlich alles wieder gut. Doch so erlebt die Familie die Situation nicht und die Eltern verzweifeln an diesem Anspruch und glauben, dass etwas nicht mit ihnen stimme. Denn sie erleben dieses Glücksgefühl nicht in dem Maße, wie es von ihnen erwartet wird. Eltern quälen Rezidivängste und sie erleben, dass sie dem Alltag vorerst nicht mehr gewachsen sind. Die psychoonkologi- sche Nachsorge sollte Eltern den Raum geben, diese Stimmungslage anzusprechen und Lösungen zu suchen. Sie haben sich mit dem Norddeutschen Institut für Kurzzeittherapie (NIK) ver- netzt. Wie sieht das konkret aus? Die Familien werden auf der Kinderonkologi- schen Station meist darauf hingewiesen, dass sie womöglich eine psychosoziale oder psychotherapeutische Unterstützung – auch Jahre später – benötigen. Es fehlen aber adä- quate Angebote. Wir bieten diesen Familien hier in Bremen im Anschluss an die intensive Therapie psychosomatische Nachsorge an. Meine Kollegin Anke Mindermann, die Pfle- gefachkraft in der Kinderonkologie ist, und ich haben ein Nachsorgeprojekt entwickelt. Unser Vorteil ist, dass wir die Kinder und ihre Familien bereits seit dem ersten Diagnose - gespräch in der Klinik kennen. Wir arbeiten interdisziplinär, also mit allen an der Behand- lung beteiligten Berufsgruppen eng zusam- men. Das Projekt ist spendenbasiert. Der Bremer „Elternverein leukämie- und tumor- kranker Kinder“, aber auch Herzenswünsche e.V. unterstützen unsere Arbeit finanziell. Die psychosoziale Nachsorge krebskranker Kinder gibt es als re- gelhafte Kassenfinan- zierungen so gut wie gar nicht. (sz) Norddeutsches Institut für Kurzzeittherapie P R O G R A M M 2023/24 Das systemisch-lösungsorientierte Weiterbildungsinstitut seit 1985 dere Interessen als die der Gleichaltrigen. Ein anderes Beispiel: Kommt es nach der Behandlung zu bleibenden und sichtba- ren Veränderungen des Körpers, braucht das Kind meist Unterstützung, um psychische Probleme zu meistern. Es gibt Kinder, die nach Entfernung eines gutartigen Hirn - tumors stets unter einem massiven Hunger- gefühl leiden. Die meisten Patienten mit einem sogenannten Kraniopharyngeom ent- wickeln daher nach der Operation ein erheb- liches Übergewicht. Das Essverhalten dieser Patienten ist ihr Leben lang massiv gestört. Jede Mahlzeit ist für die Familie Stress. Sie kommen im Miteinander an die Grenzen ihrer Belastbarkeit. Psychotherapeutische In- terventionen und eine Anleitung zur Um- strukturierung des Alltags sind erforderlich, um das Familienleben zu stabilisieren. Die Eltern sind durch die Schwere der Erkrankung ihres Kindes auch einer besonderen Belastung ausgesetzt. Ist nach erfolgreicher Behandlung alles wieder „in Butter“? Welche Themen sind ein Schwerpunkt ihrer Beratung? Chronische Bauch- oder Kopfschmerzen, Angst- und Traumafolgestörungen, depres - sive Episoden oder Essstörungen sind große Themen, aber auch der Umgang mit den ver- schiedenen Organschäden nach der Krebs- therapie. Diese Belastungen machen es den Kindern und Jugendlichen schwer, am gesell- schaftlichen Leben teilzuhaben. Eine psycho- onkologische Nachsorge, die all diese The- men im Blick hat, ist umso wichtiger. Wie äußern sich diese Probleme im Alltag? Psychische und soziale Probleme werden manchmal erst sichtbar, wenn die Familie nicht mehr damit rechnet. Erst einmal sind alle nur erleichtert, dass die Krankheit über- wunden ist. Ein Kind kann nach überstande- ner Krebserkrankung aber beispielsweise Probleme haben, in der Schule Kontakte zu anderen Mitschülern aufzubauen. Es findet schlecht Anschluss und wird als ‚schwieriges Kind‘ oder als ‚sozial unverträglich‘ wahrge- nommen. Das kann zu erheblichen sozialen Konflikten in der Schule oder im Kindergar- ten führen – eine für das Kind, aber auch für seine Eltern belastende Situation. Dabei ist zu bedenken, dass krebskranke Kinder wäh- rend der Therapie kaum Kontakt zu Gleich- altrigen haben, sondern dass sie es eher mit Erwachsenen zu tun hatten. Sie reifen in die- ser Zeit viel schneller, und so haben sie an- 1 1 INFO www.nik.de Programm Norddeutsches Institut für Kurzzeittherapie, NIK e.V. Außer der Schleifmühle 40 E-Mail: info@nik.de