Organspende rettet Leben Im Universitätsklinikum Münster (UKM) wer- den jährlich zwischen fünf und acht nieren- kranke Kinder transplantiert. Durch schnitt - lich steht ein Kind unter 16 Jahren zwei Jahre auf der Warteliste, bis es eine neue Niere er- hält. „Niemand kann voraussehen, wann eine passende Niere zur Verfügung steht“, sagt Dorothee Lamann. Sie ist Krankenschwester und Studienkoordinatorin von Beruf, die Organ- transplantation schon lange ihr Thema. Als pflege rische Transplantationsbeauftragte des UKM weiß sie, was es heißt, wenn Kinder auf das lebensrettende Organ warten. Frau Lamann, warum brauchen nierenkranke Kinder möglichst schnell eine neue Niere? Anders als bei Erwachsenen beeinflusst die Wartezeit die Kinder in ihrer Entwicklung. Sie machen normalerweise in jedem Lebensjahr viele wichtige Entwicklungsschritte durch. Die Nierenerkrankung beeinträchtigt und verzögert das deutlich. Der Stoffwechsel des nierenkranken Kindes wird behindert. Es leidet unter Blutarmut, hat Wachstumspro- bleme und Schwierigkeiten mit dem Kno- chenaufbau. Eine strenge Diät ist wichtig und na- türlich auch die Einnahme von Medikamen- ten. Die Pubertät setzt im Schnitt zwei Jahre später ein. Die Nierenerkrankung verändert ihr ganzes Leben: Sie müssen Medikamente nehmen, strenge Diät halten und regelmäßig zur Ambulanz kommen. Bei der Hämo dia - lyse, der Blutwäsche, sind sie drei Mal in der Woche für mindestens vier Stunden in der Ambulanz. In dieser Zeit können sie weder zur Schule, noch sich mit Freunden treffen. Dazu kommt eine lange Anfahrtszeit, denn viele Kinder wohnen weit weg. Sie sind mü- de, können sich nicht so lange konzentrieren und haben einen sehr langen Tag. Kann die die Dialyse eine langfristige Therapie sein? Nein. Die Dialyse ist eine Nierenersatzthe - rapie und damit lebenserhaltend. Die eigene Nierenfunktion kann sie leider nicht wirklich ersetzen. All die Probleme, die eine schwere Nierenerkrankung mit sich bringt, bleiben an der Dialyse in der einen oder anderen Form bestehen. Zudem kostet sie sehr viel Zeit (Blutwäsche) und erfordert viel Fachwissen (Bauchfelldialyse) und Disziplin (Diät, regel- mäßige Medikamenteneinnahme). Außerdem beeinflusst sie massiv das soziale Leben. Vie- les, was Kinder normalerweise tun, ist ver- boten. Beispiel Kindergeburtstag: Es gibt Pommes, Cola und alle gehen schwimmen. Das Dialysekind darf nichts davon und kann deshalb gar nicht an der Feier teilnehmen. Freundschaften schließen, herumtoben, sich ausprobieren, all das ist wichtig für Kinder und an der Dialyse deutlich schwieriger. Das belastet das betroffene Kind und die ganze Familie. Dazu kommen die Probleme mit der Dialyse selbst: Entzündungen, verstopfte Ka- theter, Probleme mit den Blutgefäßen. Eine intakte Niere entgiftet den Körper 24 Stun- den am Tag. An der Dialyse bleibt immer Gift im Körper zurück. Damit wird man nicht so alt wie andere Menschen. Was ist medizinisch die Voraus - setzung für eine Transplantation? Die eigenen Nieren müssen auf Dauer so ge- schädigt sein, dass eine Dialyse notwendig ist. Damit eine neue Niere gut einwachsen kann, braucht es ein Mindestkörpergewicht von meist acht bis zehn Kilogramm. Das Kind darf keine weitere, nicht heilbare bösartige Erkrankung oder schwerwiegende Zusatzer- krankung etwa an Herz oder Leber haben, die entweder ein lebensbedrohliches Risiko bei der Transplantation bedeuten oder den Transplantationserfolg in Frage stellen. Wie sieht das Leben eines Kindes mit dem neuen Organ aus? Ist die Transplantation erfolgreich und die Niere arbeitet gut, wirkt sich das sehr positiv Dorothee Lamann auf die Lebensqualität und die Lebenszeit aus. Dem Kind geht es schnell besser: Die Nierenwerte gehen in den Normalbereich, die Dialyse entfällt, auch die strenge Diät. Die gesamte Entwicklung verbessert sich. Den Kindergeburtstag mit Cola, Pommes und Schwimmen gehen kann es jetzt mitfeiern und hat auch sonst gegenüber Gesunden nur wenige Einschränkungen. Ganz wichtig ist die tägliche und pünktliche Einnahme im- munsuppressiver Medikamente. Sie verhin- dern, dass die Niere abgestoßen wird. Einige wenige Lebensmittel, wie etwa rohes Fleisch oder roher Fisch, darf es nicht essen, es muss viel trinken, damit die Niere gut arbeitet und anfangs häufig, später weniger häufig, aber regelmäßig zur Ambulanz des Transplanta - tionszentrums zur Untersuchung kommen. Warum ist die Lebendspende für ein Kind eine gute Option? Eine Lebendspende, etwa von den Eltern oder auch Großeltern, kann zeitlich gut ge- plant werden und verkürzt damit sehr die belastende Wartezeit. Je kürzer die Zeit an der Dialyse ist, desto besser für die Gesund- heit und die Entwicklung des Kindes, und desto weniger stark die Belastung für das Kind und seine Familie. Bei der Lebendspende ist auch die Übertragung bei verschiedenen Blutgruppen nach entsprechender Vorbereitung möglich. Die Niere selbst ist nur kurze Zeit ohne Blut- versorgung, weil der Spender oder die Spen- derin und das betroffene Kind zur selben Zeit im selben Krankenhaus operiert werden. (sz)